Konsum: Wie wir uns im Überfluss verlieren
Wir leben in einer Welt, die uns ununterbrochen Informationen liefert, und gleichzeitig unsere Fähigkeit schwächt, diese zu verarbeiten. Unseren Alltag als einen Zustand der Hypnose: Wir sind technisch aufgerüstet mit Kopfhörern, Smartphones, Tablets, Notebooks, Smartwatches. Wir sind „online“, aber innerlich abwesend.
Der geistige Konsum: Dauerberieselung und Trancezustand
Wir wissen, was die Stars und Sternchen tragen, was der Algorithmus uns vorschlägt und was ein entfernter Bekannter gestern zum Mittag hatte, aber wissen wir noch, was wir wirklich brauchen, denken, fühlen?
Unser Gehirn wird darauf trainiert, Informationen nur oberflächlich wahrzunehmen und schnell wieder zu vergessen. Alles ist verfügbar, nichts bleibt. Wissenschaftliche Schätzungen zeigen: Nur etwa 1 % der Informationen nehmen wir bewusst wahr, der Rest rauscht ins Unterbewusstsein. Dort jedoch bleibt es nicht folgenlos. Diese Reize beeinflussen unser Denken, unsere Entscheidungen und letztlich unser Verhalten, ohne dass wir es merken.
Und genau das macht uns anfällig. Denn je mehr wir uns durch diese äußeren Reize formen lassen, desto mehr entfernen wir uns von unserem wahren Selbst. Inmitten all des Lärms und der Reize bleibt eine zentrale Frage oft unbeantwortet: Wo bist du? Wer trifft eigentlich deine Entscheidungen? Du, oder das, was dir eingeflüstert wurde?
Der materielle Konsum: Kaufen, Wegwerfen, Nachkaufen
Diese innere Leere versuchen viele mit äußerem Konsum zu füllen. Und genau das spielt der Industrie in die Karten. Produkte werden längst nicht mehr dafür entwickelt, langlebig zu sein, im Gegenteil. Die sogenannte geplante Obsoleszenz sorgt dafür, dass Geräte, Kleidung oder Möbel schneller kaputtgehen oder veralten.
Ein besonders krasses Beispiel: Am Heiligabend 1924 beschlossen führende Glühbirnenhersteller, die Lebensdauer einer Glühbirne von 2500 auf 1000 Stunden zu reduzieren, rein aus Profitgründen. Seither hat dieses Prinzip Schule gemacht. Heute verschleißen Waschmaschinen doppelt so schnell wie vor 20 Jahren, Drucker haben Zähler, die sie nach einer bestimmten Seitenzahl „sterben“ lassen, und bei Smartphones reicht oft ein Update, um ältere Modelle unerträglich langsam zu machen.
Dazu kommt die psychologische Komponente: Wer will schon das „alte“ Modell nutzen, wenn das neue bereits glänzend im Schaufenster steht? Die Modeindustrie, Technikbranche, Kosmetikhersteller, sie alle leben davon, dass wir glauben, wir bräuchten etwas, das wir bis gestern noch nicht vermisst haben.
Die große Frage: Was brauchen wir wirklich?
Das Tragische dabei: Je mehr wir haben, desto leerer fühlen wir uns oft. Konsum wird zur Ersatzhandlung für ein inneres Defizit, sei es emotionale Leere, fehlende Verbundenheit oder Sinnlosigkeit. Und genau hier beginnt die Chance zur Veränderung.
Denn es geht nicht darum, alles abzulehnen. Technik, Medien, Konsumgüter, sie können sinnvoll und bereichernd sein. Aber nur, wenn wir sie bewusst nutzen. Wenn wir die Kontrolle behalten und nicht aus der Hand geben. Wenn wir auf Qualität statt Quantität setzen, auf Wertschätzung statt Ersatzbefriedigung.
All das bedeutet nicht, dass Konsum per se schlecht ist. Aber er sollte bewusst geschehen. Mit Achtsamkeit, mit Maß, mit Wertschätzung.
Was wir brauchen, ist nicht mehr Besitz, sondern mehr Präsenz. Weniger Ablenkung, mehr Verbundenheit. Statt unser Leben mit Dingen vollzustopfen, die wir bald wieder entsorgen, sollten wir den Fokus auf Qualität, Nachhaltigkeit und echte Freude legen.
Und das beginnt bei uns selbst: beim Innehalten. Beim bewussten Entscheiden. Beim Loslassen des ständigen Mehr.
Was wir tun können:
Bewusstheit entwickeln: Achte auf das, was du konsumierst, geistig wie materiell. Frage dich regelmäßig: Brauche ich das wirklich? Oder kompensiere ich gerade etwas?
Stille suchen: Schaffe Räume ohne Ablenkung. Schalte Handy und Radio bewusst aus.
Wertschätzen statt Wegwerfen: Investiere in Dinge, die lange halten, die gut gemacht sind, die dir wirklich etwas bedeuten.
Nachhaltigkeit leben: Unterstütze Hersteller, die transparent und ehrlich produzieren. Repariere statt wegzuwerfen. Leihe oder teile Dinge, die du selten brauchst.
Verbindung statt Vergleich: Wähle Begegnung statt Konkurrenz. Tiefe statt Oberfläche.
Wir alle sind Teil dieses Systems, aber wir sind ihm nicht ausgeliefert. Jeder einzelne von uns kann entscheiden, wie viel Raum er dem Konsum in seinem Leben gibt. Und je bewusster wir konsumieren, desto freier, gesünder und erfüllter werden wir uns fühlen. Nicht, weil wir mehr haben, sondern weil wir endlich wieder wissen, was wir wirklich brauchen – und wer wir wirklich sind.